Mehr als eine kleine Erbse
01.04.2010 - Nationalstürmer Javier Hernández
Javier Hernández ist die große Offensivhoffnung der Mexikaner für die WM in Südafrika. Der Stürmer wird "Chicharito" genannt, was "kleine Erbse" bedeut. Doch er ist mehr als das.
von Matthias Linsenmeier
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Der Stürmer Javier Hernández Balcazar (21) wird aufgrund seines runden Gesichts in seiner Heimat "Chicharito" genannt, was im deutschen "kleine Erbse" bedeutet. Er ist jedoch weit mehr als das. Er ist die große Offensivhoffnung der Mexikaner für die WM in Südafrika. Auch für seinen Verein, den mexikanischen Tabellenführer Chivas de Guadalajara, ist er in der laufenden Saison besonders wertvoll. In elf Einsätzen im Torneo Bicentenario kommt Hernández bislang auf zehn Saisontore, wobei es angesichts eines vergebenen Elfmeters und vieler weiterer hochkarätiger Einschussmöglichkeiten in den Partien auch mehr Treffer hätten sein können.
Hernández entstammt einer Fußballerfamilie
Der Fußball wurde "Chicharito" scheinbar bereits in die Wiege gelegt – Vater und Namensvetter "Chícharo" war bereits Nationalspieler und ist heutzutage als Trainer im Nachwuchsbereich für den Verein seines Sohnes tätig. Auch der Onkel Tomás Balcazar lief früher für die Chivas auf. Vom Vater erbte "Chicharito" dann auch seinen Spitznamen, der für den Sprössling mit einem Diminutiv versehen wurde.
Der 21-Jährige hat seinen Vater, der 28-mal für Mexiko auflief, bereits in Bezug auf Länderspieltreffer eingeholt. Vier Tore stehen dort bereits zu Buche – bei nur vier Einsätzen. Seinen Stammplatz für die WM scheint er indes bereits in der Tasche zu haben, da er bei den Auftritten im grünen Dress der "Tri" stets überzeugen konnte. Auch weil er seine weiteren Qualitäten in die Waagschale warf. Der gebürtige "Tapatío", wie die Einwohner von Guadalajara in Mexiko genannt werden, ist nämlich kein reiner Torjäger, sondern dank seiner Beweglichkeit auch ein formidabler Vorbereiter. Somit ist "Chicharito" nicht nur auf die Mittelstürmerposition festgelegt, sondern kann auch hinter den Angreifern agieren. Hernández Balcazar ist überdies trotz seiner geringen Körpergröße von nur 1,72 Meter recht kopfballstark, was man jedoch angesichts der eher kleineren Gegenspieler in der mexikanischen Liga nicht überbewerten sollte. Gegen großgewachsene und robuste Gegenspieler aus Frankreich oder Uruguay wird es der quirlige Stürmer wohl schon bei der WM schwerer haben als in der Liga seines Heimatlands.
Nach dem Traumdebüt kam die Flaute
In der letzten Meistersaison der Chivas, der Apertura 2006, debütierte der damals 18-Jährige für seinen Ausbildungsverein gegen Necaxa. Man gewann mit 4:0 und Hernández gelang gleich ein Treffer, was damals einen großen Medienhype um die Sturmhoffnung auslöste. Das Tor zum Endstand sollte bis zum Frühjahr 2009 jedoch der einzige Erstligatreffer von "Chicharito" bleiben und er kam nur noch selten zum Einsatz. Außerdem hatte er in dieser Zeit auch mit vielen Verletzungen zu kämpfen.
Erst in der Clausura 2009 kehrte das Eigengewächs in die erste Mannschaft zurück, wo er vermehrt zum Einsatz kam und das Toreschießen für sich wiederentdeckte. Jene Saison sollte mit vier Treffern sein Durchbruch werden und "Chicharito" endlich in die Stammformation spülen. Auch in der Copa Libertadores, der Champions League Lateinamerikas, machte der Angreifer mit guten Leistungen und Toren international auf sich aufmerksam. Die Chivas waren damals krisengeschüttelt und erlebten vier verschiedene Trainer seit Frühjahr 2009. Man suchte die gute Form der ersten Hälfte des Jahrzehnts. Den Leistungen von Hernández konnte dies keinen Abbruch tun und er schwang sich langsam zum größten Hoffnungsträger seines Vereins auf. In der folgenden ebenfalls für den Verein enttäuschenden Saison schraubte er dann seine Torquote nach oben und galt vor dem Torneo Bicentenario als einziger fähiger Stürmer im Kader.
Die hohen Erwartungen waren überraschenderweise für "Chicharito" keine Hürde. Derzeit führen die Chivas die Tabelle der Primera División an und Hernández steht an der Spitze der Torschützenliste. Am kommenden Wochenende steht der Superclásico des mexikanischen Fußballs gegen América an, doch die Teilnahme an der Liguilla, den meisterschaftsentscheidenden Playoffs, haben die Chivas quasi in der Tasche. Hernández spielt in dieser Saison im Angriff an der Seite von Vereinsidol Omar Bravo, der in der klubinternen Torjägerliste auf dem zweiten Rang liegt und im Sommer nach einem gescheiterten Abenteuer bei Deportivo La Coruña mit großen Hoffnungen zurückkehrte. Bravo kann jedoch seit seinem Wechsel nach Europa im Sommer 2008 nicht mehr an die zuvor gezeigten Leistungen anknüpfen, die ihn zum Leistungsträger der Nationalmannschaft machten. Im Verein und auch in der Nationalmannschaft hat ihm Javier Hernández längst den Rang abgelaufen.
Der U-17-Weltmeistertitel blieb ihm verwehrt
Der Torjäger ist Mitglied der vielversprechenden Fußballergeneration, die Mexiko 2005 den U-17-Weltmeistertitel in Peru brachte und der außerdem Spieler wie Giovani dos Santos (heute Galatasaray) und Carlos Vela (heute FC Arsenal) angehören. Ursprünglich sollten die drei zusammen das Offensivtrio beim Jugendturnier bilden, doch kurz zuvor verletzte sich "Chicharito", so dass ihm die Teilnahme unglücklicherweise verwehrt blieb. Von zuhause aus musste er dann mit ansehen, wie seine Kumpels im Finale die favorisierten Brasilianer mit 3:0 deklassierten und danach den ersehnten Pokal in die Höhe reckten. Sein Mitspieler Carlos Vela wurde mit 5 Treffern der beste Torjäger des Turniers und weckte alsbald Begehrlichkeiten aus Europa. Schließlich nahm ihn der FC Arsenal unter Vertrag, doch dort kam und kommt er nach wie vor auf wenig Einsatzzeiten. Aus heutiger Sicht war es für die Karriere von "Chicharito" wohl ein Vorteil, dass er sich 2005 noch nicht ins Rampenlicht der Fußballwelt spielen konnte und eine unbeschwerte Entwicklung in der nationalen Liga nahm.
Hernández wird seit der Apertura auch immer häufiger bei europäischen Vereinen ins Gespräch gebracht. Beispielsweise sollen italienische Erstligisten und der mit Francisco Rodríguez und Carlos Salcido ohnehin schon mexikanisch geprägte PSV Eindhoven an einer Verpflichtung interessiert sein. Jüngste Gerüchte bringen "Chicharito" auch mit dem VfL Wolfsburg in Verbindung. Angesichts eines Vertrags bis 2014 taxiert man seinen derzeitigen Marktwert etwa auf vier Millionen Euro. Knüpft "Chicharito" bei der WM, für die er heute in den vorläufigen Kader berufen wurde, an seine bisherige Länderspieltorquote an, wird es mit diesem Preis nicht getan sein und die potenziellen Interessenten müssten tiefer in die Tasche greifen.