Volle Hütte: Peru - Brasilien

22.06.2019 - Copa América 2019

Am letzten Spieltag der Gruppenphase hieß es in São Paulo erstmals: ausverkauft.

von Christian Piarowski

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Am 3. Spieltag der Copa América trafen in der Gruppe A Gastgeber Brasilien und Peru aufeinander. Es war zwar bereits das 13. Spiel des Turniers, aber das erste, für das ausverkauft gemeldet wurde. Selbst zum Auftaktspiel zwischen Brasilien und Bolivien gab es reichlich leere Plätze im, zugegebenermaßen, riesigen Morumbi zu sehen. Das verwunderte zunächst vor allem Fußballinteressierte außerhalb Südamerikas, aus jenen Ländern, wo der eventartige Fußball stets für volle Arnen sorgt. Bald schon war allseits zu lesen und zu hören, die Tickets seien zu teuer, die Organisation ein Chaos und vieles mehr.

 

Doch war dem wirklich so? Richtig ist, dass die Preise für die Haupttribünen selbst nach europäischen Maßstab happig sind. Rund 90 Euro wurden für die besten Plätze der Kategorie 1 verlangt. Was diese Kategorie bedeutete, also wo man da sitzen würde, ob Unterrang, Oberrang, mittig, nahezu auf Höhe der Eckfahne usw. war beim Kauf nicht auszumachen. Gut möglich also, dass der teure Platz nicht viel bessere Sicht bieten könnte als jener der Kategorie 2.

 

Die billigste Kategorie, die in der Arena von Corinthians der Stehplatzbereich war, kostete 60 Real, etwa 15 Euro. Schüler, Studenten, Personen über 60 Jahre, Jugendliche aus einkommensschwachen Haushalten im Alter von 15 bis 29 Jahren und Lehrer konnten die jeweiligen Kategorien zum halben Preis erwerben, also die Kategorie 5 für 8 Euro.

 

Dennoch gingen die Tickets nicht sofort weg, wie warme Semmeln, was zum Teil auch an der undurchsichtigen Kommunikation lag. Es gab lange nur unklare Angaben zum Verkaufsmodus und möglichem Rückgaberecht und auch über die Verkaufsphasen; also welche und wie viele Tickets und, vor allem, wann sie frei gegeben werden sollten, war selten und meist ohne Genaues zu erfahren. So war mal wochenlang alles weg und dann plötzlich, ohne eine neue Verkaufsphase ausgerufen zu haben, wieder alles zu haben. Wer da langfristig seine Reise planen wollte, um eventuell von billigen Transportmitteln und Hotelpreisen zu profitieren, der hatte es schlicht schwer.

 

Copa America im 21. Jahrhundert kein Zuschauermagnet

Dem könnte man sicher noch weitere Dinge hinzufügen, was bei der Organisation, zumindest für europäische Erwartungen, so alles vermeintlich schief lief. Fakt ist aber auch: die Copa America ist schon lange keine Zuschauermagnet mehr. Wenn man, abgesehen von der in den USA ausgetragenen Jubiläumsausgabe, die Zuschauerzahlen der letzten Versionen vergleicht, finden sich da kaum unterschiede zum aktuellen Turnier. Sowohl in Argentinien und Chile war die Verkaufssituation, um es vorsichtig zu formulieren, entspannt. Erstaunlicherweise ragt das eigentliche Baseballland Venezuela bei der Statistik heraus, doch wurden dort die Ränge mit Chavez-Anhänger aufgefüllt, so dass man viel Rot in den Kurven sah, und zwar nicht das Weinrot der Vinotinto.

 

Chile und Argentinien hatten aber gerade in der Gruppenphase viele Partien an Orte mit kleinen Stadien vergeben, wie nach Temuco (18.000) oder San Juan (25.000). Das sieht das Stadion mit 20.000 oder wenigern Zuschauern (zum Gruppenspiel Brasilien – Peru kamen in Temuco knapp 17.000) dann recht voll aus. Nur für die Gastgeber, Zuschauermagneten oder Finalrunden wurden größere Spielstätten verwendet. Das Monumental in Buenos Aires, das größte Stadion Argentiniens, kam beispielsweise erst im Finale zum Einsatz. In Brasilien wird nun ausschließlich in den riesigen Stadien und Arenen gespielt. In einem Morumbi oder Maracana fühlen sich 10.000 Zuschauer eben wie bestenfalls 1.000 an und das sieht dann auch so aus.

 

Doch warum war jetzt nochmal die Copa America nun schon länger kein Zuschauermagnet mehr? Auch hier gibt es natürlich vielfältige Gründe. Zum einen wird sie seit einiger Zeit ein Jahr nach der WM ausgetragen. Gefühlt war da neulich erst Fußball-Party und viele Fußballverrückte, die ihrer Seleccion zu jeder WM folgen, haben ein Jahr zuvor ihr ganzes Geld verprasst. Das gleiche dann nochmal machen, wieder nun den kurzen, zweiwöchigen Jahresurlaub für Fußball verbraten? Das muss man der Familie erst mal erklären können und in vielen Fällen auch der Bank.

 

Doch damit nicht genug. Ein Jahr sind die südamerikanischen Teams vor der Copa America ohne Pflichtspiel und das gilt ausschließlich für die WM-Starter. Die anderen mussten noch länger warten. In den zurückliegenden Monaten gab es nur Freundschaftsspiele. Die WM-Quali startet erst nach der Copa. Dazu haben einige Mannschaften nach der WM einen personellen Umbruch eingleitet, wechselten Trainer, verjüngten die Teams. Dies hat zur Folge, dass grade in den Gruppenspielen die fußballerische Qualität nicht vergleichbar ist, mit dem weltweiten Turnier ein Jahr zu vor. Holprige Auftakte sind keine Seltenheit in der Copa America, oder anders ausgedrückt, nicht immer ist der tolle Fußball zu sehen.

 

Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass für die Fußballfans in Südamerika die Copa América erst in den finalen Instanzen interessant wird, und auch nur, wenn ihr Team spielt. Denn ein Paraguay – Venezuela, ja selbst ein Uruguay – Argentinien gibts jedes Mal bei der anstehenden WM-Quali, wo alle im Ligasystem aufeinander treffen und somit die vielleicht wirkliche Südamerikameisterschaft ausspielen. In Europa dagegen kann es lange dauern, bis beispielsweise Italien auf Holland trifft und selbst Duelle gegen Underdogs haben mehr "exotischen Reiz", da sie eben nicht ständig vorkommen. Nicht ohne Grund will der südamerikanische Fußballverband Conmebol die Copa America wie die EM in Zukunft zwei Jahre nach der WM stattfinden lassen.

 

Letztlich bleibt also zu sagen, die Preise bei der aktuellen Copa America sind zwar enorm, aber Brasilien hat jede Menge Menschen in den Großstädten für die sie wiederum ein Klacks sind. Die Stadien könnten von der Kaufkraft etlicher her locker gefüllt werden. Doch Produkt und Preis sind möglicherwiese nicht ganz ausbalanciert.

Aber ehrlich gesagt, ich würde mir als Einheimischer auch kein Uruguay – Peru geben, nicht mal für 5 Euro, ob ich den zehnfachen Mindetlohn verdiene oder nicht. Außer ich wohne gleich in der Nähe des Stadions. Auch Messi hat nun schon zigmal in Brasilien verspielt und ist daher keine Wow-Attraktion. Dafür der ganze Stress mit An- und Abreise. Schaue ich doch lieber typisch brasilianisch in der Bar um die Ecke mit Bekannten, Nachbarn und übliche Verdächtigen, die jeden Tag da sind.

 

Heute aber volle Hütte

Welche Gründe also letztlich am meisten ausschlaggebend sein mögen, an diesem 3. Spieltag war die Hütte voll. Klar Brasilien spielte gegen einen WM-Teilnehmer. Doch überraschenderweise waren es gar nicht mal unbedingt die Brasilianer, die für eine volle Arena sorgten. Rein optisch geschätzt hatten die von der WM-Teilnahme noch immer euphorisierten Peruaner etwa 40 Prozent der Tickets ergattert. Auch vor dem Stadien waren es vornehmlich sie, die noch verzweifelt nach Tickets auf dem Schwarzmarkt suchten.

 

Es herrschte tolle Stimmung zum Anfang in der Dank Fahnenverbot nackt wirkenden Arena...bis sich die Party ausschließlich auf die brasilianische Seite verlagerte. Die Gastgeber, die nach der verpatzten Heim-WM und nach dem Unentschieden gegen den ewigen Zwerg Venezuela schon wieder Kritik ausgestzt sahen, legten sofort los, um alle Zweifel an ihrer Einstellung flug zu vertreiben. Sie spielten sich in einen Rausch und das völlig überforderte Peru musste nach der Pleite plötzlich um die Qualifikation bangen.

 

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Peru 0:5 Brasilien, Arena Corinthians, São Paulo, Brasilien, Samstag, 22.06.2019, 16:00, 3. Spltg., Gruppe A, CA 2019

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