Mit Gottes Beistand

12.10.2009 - WM-Qualifikation

Nein, es war kein schönes Spiel, was die Argentinier gegen Peru zeigten, doch verrückt und kurios war es. Wir berichten mit welcher Hilfe Argentinien der Sieg gelang.

von Christian Piarowski

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Argentinien schöpft wieder Hoffnung

„Es war ein Wunder des heiligen Palermo, das uns noch am Leben hält.“ Diego Armando Maradona wusste, bei wem er sich nach dem glücklichen Sieg der Argentinier gegen Peru bedanken musste. Nicht die Legionäre, die Superstars, nicht Messi, nicht Agüero, retteten die »Selección« vor dem drohenden Aus, sondern der 35-jährige Martin Palermo.

 

Der Mann der verrückten Tore

Ausgerechnet Palermo, der Verrückte, „el Loco“. Er, der einzige Stürmer im Kader, der in Argentinien spielt, der staksige Schlaks der Boca Juniors, der sich mit roboterartigen Bewegungen über das Spielfeld bewegt, der immer die besonderen Tore schießt, wie das vor einer Woche gegen den Meister Velez Sarsfield, als er den Ball mit seinem Eisenschädel aus 39 Metern ins Tor wuchtete.

Und nun dieser Treffer in der Nachspielzeit, wo er einfach zur rechten Zeit am rechten Platz stand, hinten versteckt am 2. Pfosten, wo er den Ball nur einschieben musste. Nur einschieben, nur. Niemanden außer Palermo wäre das in jener Phase argentinischer Verzweiflung, als die Bälle planlos durch den Strafraum segelten, noch zuzutrauen gewesen.

Palermooooo!

10 Jahre wartete Palermo nachdem er gleich 3 Elfmeter im Qualifikationsspiel gegen Kolumbien versemmelte, bis er wieder eine Chance in der Auswahl erhielt. Bereits beim 2:0 im Testspiel gegen Ghana vor einer Woche schoss Palermo beide Tore. Lange wurde er verschmäht, nun liegt ihm Argentinien zu Füßen. Palermooooo, Palermooooo hallte es von den Rängen. »El Loco« konnte sein Glück kaum fassen.

Mit ausgebreiteten Armen stand er an der Eckfahne im strömenden Regen und ließ sich feiern, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, suchte nach Worten, Gedanken, irgendetwas, das ihm dieses Glück begreiflich machen konnte. Sein Trainer hechtete sich derweil auf den Rasen und bewies mit einem jugendlichen »Diver« wie schnittig ihm bei der Reha in Italien der Wanst getrimmt wurde.

Ein wahrhaft pathetischer Moment, wie aus dem Drehbuch – ergreifend, es lässt sich nicht leugnen. Auch die argentinischen Fernsehkommentatoren waren völlig euphorisch und vergnügten sich endlos an dem Treffer in Super-Slomo aus allen Perspektiven. Da fanden sie auch nur in einem Nebensatz Zeit, um zu erwähnen, dass Perus Rengifo den Ball gerade gegen die Latte donnerte - zu sehen war es im TV nicht.

»Der Bärtige« half

Aber wie hätte der Ball auch den Weg ins Tor finden können? »Nach dem Ausgleich, bat ich den Bärtigen eine Runde durch das Monumental Stadion zu drehen«, erzählte Maradona anschließend in der Pressekonferenz. Gemeint war Gott, und der Allmächtige muss dem Hilferuf gefolgt sein. Anders ist der Sieg der Argentinier kaum zu erklären.

Es war erneut eine katastrophale Leistung der Selección. Und das gegen einen Gegner, der bisher alle Gastspiele verlor, der sich im Verlauf der Qualifikation zumeist konfus, lustlos und völlig überfordert zeigte, der aber in der zweiten Halbzeit drückend überlegen war, für seinen Einsatz mit dem Ausgleich belohnt wurde und mehr verdient hätte.

Seine Verbindung zum Allmächtigen, die Maradona bereits 1986 in Mexico bewies, ist wohl der größte Dienst, den er der Nationalelf in seiner Amtszeit erwies. Denn aufgrund Maradonas eigenwilligen taktischen Marschrouten und den willkürlich scheinenden Nominierungen ist Argentinien mittlerweile in der Tat auf allen nur erdenklichen Beistand angewiesen.

Das wissen auch die Spieler. Nach Aussagen von Roberto Palacios sollen Mascherano und einige andere Argentinier die Peruaner angefleht haben, nicht auf den Ausgleich zu drängen. Ähnliches soll nach Worten des Bremers Marcelo Moreno bereits bei der 1:6 Schlappe in Bolivien geschehen sein.

Nun will Maradona erstmal in Ruhe das Spiel analysieren, um gegen Uruguay die richtige Aufstellung zu finden. Mit ziemlicher Sicherheit wird das Team wieder durcheinander gewürfelt werden. Veron soll eingebaut werden und... Doch lassen wir die Trainerschelte, wir sollten dankbar sein. Hätte es Diego vollbracht, das volle Potential seiner Stars zur Entfaltung zu bringen, die Argentinier wären bereits durch und der letzte Spieltag langweilig und bedeutungslos. So aber können sich Fans des südamerikanischen Fußballs am Mittwoch auf einen Krimi in Montevideo freuen. Sicher wird es ähnlich filmreif wie am Samstagabend.

Heiliger Beistand aus Chile

Der erneute Beistand eines Heiligen ist den Argentiniern bereits zugesichert. Marcelo Bielsa, argentinischer Nationaltrainer Chiles, der das Nachbarland nach einer 12-jährigen Durststrecke gerade souverän zur WM führte, wurde dort von den Fans zum Heiligen erklärt. »San Marcelino« hat bereits angekündigt, seine Mannschaft gegen Ecuador zum Sieg zu führen und seinem Heimatland auf diese Art behilflich zu sein. Und naja, wenn gar nichts geht, dann gibt es ja noch den anderen neuen Heiligen: San Martin Palermo.