Saisonstart am 21. August - Hintergründe

12.08.2009 - Die Primera A in der Krise?

Als Ende Juli der Spielplan für die neue Saison publik wurde, da war die Fußballwelt am La Plata-Fluss noch in Ordnung. Der Saisonbeginn wurde...

von Christian Piarowski

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Als Ende Juli der Spielplan für die neue Saison publik wurde, da war die Fußballwelt am La Plata-Fluss noch in Ordnung. Der Saisonbeginn wurde für den am 14. August terminiert, und die Vorfreude bei den Fans war bereits groß.
Als die Vereinigung argentinischer Fußballprofis (FAA) anmahnte, dass die Vereine Schulden in Millionenhöhe hätten und eine Verschiebung des Saisonstarts forderte, bis wenigstens die Schulden bei ehemaligen Spielern bezahlt seien, störte das niemanden. Solche Meldungen gehören zum üblichen Programm einer Saisonpause. Dass die Mehrheit der Vereine aufgrund jahrelanger Misswirtschaft finanziell marode sind, ist allseits bekannt. Die Löcher im Budget werden zumeist durch Spielerverkäufe gestopft, etwa 50 Prozent des jährlichen Etats ergibt sich aus Transfererlösen.

Lizensierungsverfahren: Fehlanzeige

Dieses Jahr erlitt der Transfermarkt zwar eine Baisse, denn die europäischen Spitzenklubs drückten mit dem Wissen um die Notlage der Vereine den Preis. Da aber die Transferperiode in den Hauptexportzielen Spanien und Italien noch bis Ende August andauert, gab es bei den Vereinen kein Grund zur Besorgnis. Was sollte auch passieren, in einer Liga, die ohne Finanzkontrolle agiert? Lizensierungsverfahren: Fehlanzeige. Falls alles schief gehen sollte, würde, wie in den letzten Jahren bereits geschehen, der argentinische Fußballverband AFA nachhelfen, damit der Spielbetrieb weitergehen kann.

Doch ausgerechnet AFA-Präsident Julio Grondona sorgte für den Paukenschlag. Er ließ den Termin für den Saisonstart auf unbestimmte Zeit verschieben, damit das Schuldenproblem »von Grunde auf« gelöst werde. Experten überraschte der plötzliche Schulterschluss des mächtigsten Mannes im argentinischen Fußball mit der Spielervereinigung FAA, deren Belange ihn zuvor wenig bis gar nicht berührt hatten. Bereits da hieß es, Grondona plane im Hintergrund gewiss einen größeren Coup. Der AFA-Boss hat in der Vergangenheit schon häufiger undurchsichtige Geschäfte betrieben und ist an verschiedenen Firmen beteiligt, die von der Ware Fußball lukrativ profitieren. Bereits seit 30 Jahren regiert Grondona als AFA-Präsident den argentinischen Fußball, Gegenwind hat er nicht zu befürchten. Die Präsidenten der Klubs sind ihm weitestgehend hörig, profitieren doch auch sie davon, wenn »Don Julio« in Zeiten finanzieller Notlage aus einem ominösen Sondertopf des Fußballverbands mit Millionenzahlungen einspringt. Versuche von Journalisten und Anwälten, die Machenschaften Grondonas aufzudecken, scheiterten stets an Einschüchterrungen oder Verleumdungskampagnen gegen die Investigatoren. Nur wer nicht vom Fußball leben muss, spricht offen von mafiösen Machenschaften.

Nicht mafiös, aber doch ein wenig merkwürdig mutete auch der erste Lösungsvorschlag an, den Julio Grondona parat hatte, um die aktuellen Zahlungsprobleme der Vereine zu lösen. Mit Hilfe von Einnahmen aus Sportwetten sollte die Finanzkrise wieder korrigiert werden. Dies hätte einer Autorisierung seitens der staatlichen Lotteriegesellschaft bedurft, doch die Regierung schloss aus, dass diesbezüglich eine schnelle Lösung möglich sei. »Der Fußball solle seine Probleme selbst lösen«, hieß es damals.

Es dauerte nicht lange, bis Grondona einen Schuldigen an dem Finanzproblem gefunden hatte: Das Fernsehen, das einfach zu wenig zahle. Seit 1991 besteht ein Vertrag zwischen dem Medienkonsortium TSC und der AFA über die Übertragungsrechte. Grondona selbst hatte die Vertragsbedingungen ausgehandelt und vor zwei Jahren erneuert. Knapp 50 Millionen Euro sollten die Vereine in der kommenden Saison für die Spielübertragungen erhalten, die in Argentinien aus einem Mix aus Pay-per-view und Kabelfernsehen ausgestrahlt werden. Trotz bestehenden Vertrages bis 2014 forderte Grondona nun die Verdopplung der Bezüge. TSC und der Kabelanbieter TyC pochten auf den Vertrag, boten aber eine Zahlung von 7,5 Millionen Euro an, damit die Vereine ihre Schulden bezahlen und der Spielbetrieb pünktlich zum 14. August starten könne. Grondona lehnte ab. Der Kabelanbieter TyC, der bisher die Spiele ausstrahlte, lud die Vereinspräsidenten zu einer Sitzung am Dienstag dieser Woche ein, um ihnen die bestehenden Verträge vorzulegen und über die Konsequenzen des Vertragsbruchs aufzuklären, denn dies habe Grondona nie getan.

Der Staat soll für 110 Millionen einsteigen

Julio Grondona trommelte daraufhin die Vereinsoberen kurzerhand einen Tag früher zusammen, um ihnen seine Pläne zu präsentieren. Zuvor war bereits durchgesickert, der AFA-Boss habe ein Abkommen mit der Regierung geschlossen. 110 Millionen Euro pro Saison soll sich der Staat in den nächsten 10 Jahre die Übertragungsrechte kosten lassen. Bezahlt wird das ganze aus Steuergeldern. Nur zweieinhalb Stunden dauerte die Tagung, einstimmig beschlossen die Klubchefs, den bestehenden Vertrag mit TSC zu kündigen, die von TyC eingerufene Versammlung wurde boykottiert. Nach einer weiteren Sitzung gestern Abend wurde das Vorhaben nun offiziell bestätigt, die TV-Rechte werden neu verhandelt. Ansonsten gab man sich noch bedeckt. Möglich, dass den Zuschlag das staatliche Fernsehen bekommen werde, hieß es.

Die Verkündung, dass nun bald jeder auch ohne teure Kabelgebühren Fußball schauen könne, bleibt also der amtierenden Regierung von Cristina Kirchner vorbehalten. Die Präsidentin sowie ihr Ehemann und Vorgänger Nestor brauchen dringend populäre Meldungen, um den bei der Bevölkerung verlorenen Kredit wieder einzuholen. Bei den Kongresswahlen im Juni gab es eine klare Niederlage für die Kirchner-Partei. Die Präsidentschaftswahlen stehen 2011 an, und der Kirchner-Klan plant eine weitere Amtsperiode ihrer Peronistischen Partei.

Zudem ist der Deal auch ein Schlag der Kirchners gegen die Clarin-Gruppe, das größte private Medienkonsortium des Landes. Clarin besitzt 50 Prozent an TSC. Die Kirchner versuchen bereits seit längerem gegen die mächtige Clarin-Gruppe vorzugehen, entsprechende Gesetzentwürfe scheiterten aber bisher. »Fußball für alle« wird nun schon bald die Medienabteilung der Kirchner-Partei verkünden. Der staastseigene Sender »Canal 7« soll einen Großteil der Spiele übertragen, frei empfangbar für alle. Die Opposition protestiert bereits angesichts der wachsenden Armut im Land und großer Finanzlöcher im Budget des Bildungs- und Sozialsektors. Ob der Plan der Kirchners, mit dieser populistischen Aktion auf Stimmenfang zu gehen, gelingt, ist selbst im Fußball verrückten Argentinien nicht sicher.

Der 77-jährige Grondona braucht sich dagegen keine Sorge um eine Wiederwahl zu machen mit dem neu gestärkten Ruf eines selbstlosen Kämpfers für das Wohl der Vereine. Wie genau es nun weitergeht ist allerdings noch ungewiss. Es gilt bereits als zweifelhaft, dass »Canal 7« die Fußballübertragung meistern kann, da dem Sender das technische Equipment und Know-How fehlen. Nichtsdestotrotz soll der 1. Liga-Fußball am 21. August wieder beginnen, mit oder ohne Fernsehen.

Der AFA droht nun eine teure Klagewelle seitens TSC, das bereits ein gerichtliches Verfahren ankündigte. Zudem dürfte interessant sein, wie die Fifa reagiert, die in der jüngsten Vergangenheit Suspendierungen aussprach, wenn sich der Staat in die Arbeit der Fußballverbände einmischte.

Für Sepp Blatter könnte der Fall in Argentinien zur Zerreißprobe werden, denn Julio Grondona ist nicht nur sein langjähriger Freund, sondern auch Vize-Präsident der Fifa.