Nichtaufstiegsduell: Añelo - Rivadavia
24.08.2019 - Liga de Fútbol de Neuquén
Mit Añelo und Rivadavia trafen zwei Top-Vereine im Unterhaus der LiFuNe aufeinander, doch nur für einen winkte der Aufstieg.
von Christian Piarowski
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Der 22. und damit letzte Spieltag der Liga de Fútbol del Neuquén (LIFUNE) 2019 stand an.
Die Elf aus Añelo empfing Rivadavia aus Cutral-Có. Den Rahmen bot ein lauer, windstiller Samstagnachmittag. Damit verband man in dem 2010 nur 2500 Einwohner zählendem Örtchen vor nicht allzu langer Zeit noch das Bild eines verschlafenen Nestes mit staubigen, zur Siestazeit menschenleeren Straßen. Noch immer kann ein Besucher sich durchaus der Illusion hingeben, in die nordpatagonische Variante eines Wilden-Westen-Klischees geraten zu sein.
Doch schon entlang der Ruta entschwindet dieses Bild, herrscht ein angesichts der Größe des Ortes erstaunlicher Verkehr und von oberhalb der nördlich angrenzenden Sandwälle, dort wo die patagonische Ebene sich von ihrer trockensten Seite zeigt, zieht Unruhe und Betriebsamkeit herüber. Denn da oben fahren auch am Samstagnachmittag unerlässlich schwere mit verschiedensten Materialien beladene Lkws durch die Gegend, schaffen Busse Arbeiter fort, machen Ingenieure in neuen Pickups Gesichter, als würden sie auch Berechnungen abhalten, während sie vor einer der vielen Baracken und Lagerhallen einparken.
Añelo gilt als das neue Epizentrum Vaca Muertas (Tote Kuh), eine der größten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt. Die schon länger vonstatten gehende Gewinnung von Gas und vor allem Öl ist hier in der Amtszeit von Mauricio Macri weiter aufgeblüht. Das mag positiv klingen, doch sehen nicht nur Einheimische das Ganze aus den verschiedensten Gründen kritisch.
Vor allem die angewandte und aus Umweltschutzgründen sehr umstrittene Fracking-Methode wird debattiert, findet aber kaum ein Echo in den großen nationalen Medien. Insgesamt bekommen Außenstehende ohnehin nur schwer eine konkrete Ahnung, was wirklich in den Weiten der patagonische Steppe vor sich geht. Die Förderstätten sind nahezu ausnahmslos einzig für Angestellte der Firmen zugänglich. Exxon, Shell, aber auch nationale Unternehmen treiben sich hier rum.
Die Wirtschaft der Provinz Neuquén ist bereits seit den ersten Erdölfunden 1918 bei Plaza Huincul eng mit der Rohstoffgewinnung verbunden. Wo vorher Schafe und Ziegen über die karge Vegetation getrieben worden, wo also vorwiegend Viehzucht als Unterhalt diente, da wuchsen mit den ersten Ölfunden Orte im Sinne des Fortschritts und nicht immer zur Freude der vorher Dagewesenen, meist aus Europa stammenden Siedler, von Diskussionen über Landrechte der wahrhaft autochthonen Bevölkerung ganz zu schweigen.
Die Hoch und Tiefs dieses Wirtschaftszweiges und seiner Standorte lassen sich auch am Auf und Ab einiger Fußballvereine ablesen. So war Alianza aus Cutral Có für eine Zeit Serienmeister der LiFuNe und maß sich 1985 gar mit den Boca Juniors bei einem Ausscheidungsturnier für die Copa Libertadores. Seit 2015 fiel man aber vom Federal A (3. Liga) bis ins Mittelmaß der Lokalliga hinab. Zeuge der erfolgreichen Zeit bleibt aber mit dem Coloso del Ruca Quimey das größte und vielleicht auch mit das schönste Stadion der argentinischen Hälfte Patagoniens.
Der neue Serienmeister der Neuquen-Liga kommt aus Rincón de los Sauces, von Añelo aus gesehen, am anderen Ende Vaca Muertas und somit aus deren ehemaligem Epizentrum. Bereits ab den 1960er Jahren ließ der Zuzug von Arbeitssuchenden den Ort auf etwa 2000o Einwohner anwachsen, sodass vom Ursprung des idyllischen Namens „Weideneck“ wenig geblieben ist. Deportivo Rincón stand auch in der Saison 2019 schon lange vorzeitig als Meister fest.
Es ist nicht auszuschließen, dass in Añelo mit eventuellen Investitionen aus dem Ölsektor langsam ein Gegner für Rincón heranwachsen könnte. Einen neuen Kunstrasen und sowie moderne Nebenplätze gibt es bereits. Im Ort zeigen sich zudem weitere Veränderungen, wie neue Restaurants und Unterkünfte für die steigende Einwohnerzahl. Auch wenn die meisten Arbeiter nach den Wochenschichten noch immer heimfahren, werden sich zunehmend dauerhaft mehr Menschen ansiedeln. Orte wie Rincón und Cutral Có zeigen einen mögliche Entwicklungsprozess auf.
Noch aber spielt Añelo in der Primera B, der 2. Liga der LiFuNe. Von dort steigen jedes Jahr zwei Vereine ins Oberhaus auf. Añelo lag am letzten Spieltag zwar auf dem zweiten Platz, war aber dennoch in Sachen Aufstieg aussichtslos – anders als der Gegner des Tages Rivadavia.
Die Liga hat für die ersten Männerteams der Vereine ein besonderes Auf- und Abstiegssystem zu bieten. Danach werden alle Punkte sämtlicher Mannschaften eines Vereins zusammengerechnet. Es zählen also alle erzielten Punkte aller Jahrgänge. So war es für Rivadavia nicht nur wichtig, dass das Herrenteam die Partie gewinnt, nahezu alle ihre Jungendmannschaften hätten ebenfalls gewinnen müssen, damit noch Hoffnung auf den Aufstieg bestanden hätte.
Dieses System hat bereits einige für Außenstehende schwer verständliche Situationen hervorgebracht. So stieg etwa im Jahr 2018 Don Bosco aus Zapala als Meister ab. Dieses Jahr erwischte es Independiente Neuquén als Tabellenzweiter, das lange Jahre im Federal A spielte. Befürworter argumentieren, dass so die Vereine nicht alles Geld in die Herrenmahnschaft buttern, sondern insbesondere auch den Nachwuchs fördern würden. Gegenstimmen wiederum führen an, junge Spieler würden so schon früh zu sehr unter enormen Druck stehen, was die Freude am Spiel nehmen könnte. So verließen an einem der letzten Spieltage die 12-Jährigen von Independiente unter Tränen das Spielfeld, da sie sich verantwortlich für den Abstieg ihres Vereins fühlten.
In Zapala versank man vor einem Jahr aber nicht im Tränenmeer und Don Bosco schaffte dieses Jahr souverän den Wiederaufstieg, wobei der Verein in nahezu allen Kategorien oben stand. Dies wiederum hatte im letzten Jahr Añelo verpasst, trotz Meistertitels in der 2. Liga. Diesmal würden man sich mit der Vizemeisterschaft und erneutem Nichtaufstieg begnügen müssen.
Immerhin die Reserve-Mannschaft, so etwas wie die U-23, holte den Titel in ihrer Kategorie. Sie fegte auch am letzten Spieltag ihren Kontrahenten vom Platz, sehr zur Freude des anwesenden überwiegend jungen Publikums bestehend aus Freunden und Vereinskollegen. Dazu gab es einige Familienmitglieder, die ihre Campeones nach Abpfiff feiern wollten. Es herrschte entspannte Atmosphäre ohne vorgespielte Fan-Allüren. Es waren auch keine Gästefans da, gegen die man hätte singen können. Rufe, Gelächter, Flüche und Applaus bildeten also die Stimmung um das Spielfeld herum, in dem eigenartig an das Gelände angepasstem „Stadion“.
Die meisten Sitzgelegenheiten liegen oberhalb des Feldes, auf einer Anhöhe, von wo man also in einer Perspektiven wie vom Oberrang eines Erstligastadions herab schaut. Aber auch seitlich des Feldes, also „unten“, gibt es kleine Tribünen. Für das Spiel des Herrenteams kamen noch ein paar weitere Zuschauer trotz der nicht unerheblichen 100 Peso Eintritt. An der Stimmung änderte das nichts.
Zwei interessante, torreiche Fußballspiele boten alle vier Teams, wobei Añelo beide Partien für sich entscheiden konnte.
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Añelo 4:1 Rivadavia, (jeweils Primera & Reserva), Estadio de Añelo, Añelo (Prov. de Neuquén), Samstag, 24.08.2019, 22. Spltg. Categoría B (2. Liga), Liga de Fútbol de Neuquén
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