Mehrfacher Kopfschmerz: San Miguel - CADU
22.07.2017 - Primera C (4. Liga)
Im Hinspiel des Finales um den Aufstieg musste San Miguel gegen CADU ins Stadion von Arsenal zwangsumziehen. Fotos und Bericht.
von Christian Piarowski
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Eine außergewöhnlich lange Saison in der Primera C neigt sich dem Ende entgegen. Während einige Vereine bereits wieder mit der Vorbereitung für die nächste Saison begannen, trafen San Miguel und Defensores Unidos aus Zarate im Finale der Endrunde um den zweiten Aufstiegsplatz aufeinander. San Miguel war als Sechster der regulären Saison in die Endrunde, in der die Vereine von Rang 2-9 gegeneinander antraten, gegangen, CADU als souveräner Vizemeister mit acht Punkten vor dem Dritten und sieben hinter dem Meister und direktem Aufsteiger Sacachispas. Beide Teams waren mehr oder weniger relativ souverän durch diese Endrunde marschiert , wobei sicher nicht viele Kenner nun unbedingt San Miguel im Finale erwartet hatten.
El Trueno Verde, der Grüne Donner, aus dem Westen des Großraums Buenos Aires zählt zu einen der fanstärksten Vereine der Liga und rekrutiert seine Anhängerschaft weit über San Miguel hinaus. Schon zum Halbfinale gegen Midland war die Euphorie groß gewesen im Umfeld des Vereins, der zwischen 1997 und 2001 in der 2. Liga spielte, seither ab einen Niedergang erlitten hatte, der erst mit dem Absturz in die letzte Spielklasse, der Primera D endete.
Angebliche Randale
Doch war zum heiß erwarteten Halbfinalrückspiel die in der Provinz Buenos Aires für die Sicherheit von Sportveranstaltungen zuständige Organisation Aprevide auf die Idee gekommen, just zu diesem Spiel erstmals in der Liga das System „Tribuna segura“ (Sichere Tribüne) einzusetzen, bei der digital Fingerabdrücke gescannt und Personaldaten gespeichert werden. Die dem Andrang nicht in Relation stehende Anzahl an Polizisten, von denen viele ebenfalls zum ersten Mal mit dem Verfahren umgehen mussten, sorge dafür, dass 15 Minuten vor angesetztem Spielbeginn vor den Eingängen noch Schlangen von 400 Metern herrschten.
Die Fans, die dies bis dahin geduldig ertragen hatten, wurden allmählich unruhig, die Beamten nervös, und getreu der repressiven Vorgaben der aktuellen Landesregierung kamen nach einigen, laut mehreren Aussagen eher harmlosen Rangeleien und Pöbeleien, Tränengas und Schlagstöcke zum Einsatz. Das Spiel begann mit 15 Minuten Verspätung. San Miguel sollte für das Finale sein Heimspiel als Strafe für die Ausschreitungen nicht im eigenen Estadio Malvinas Argentinas austragen dürfen; ja, es war gar von Ausschluss des Publikums die Rede gewesen.
Wenigstens mit Publikum
Immerhin hatten die Sicherheitsbehörden, nachdem sich die Wogen geglätteten hatten, dann doch ein Einsehen und die Fans von San Miguel durften zum Spiel. Allerding nur 8000, die dafür einmal den Großraum queren und nach Sarandi reisen mussten, ins Stadion des Erstligisten Arsenal. Dort, im Estadio Julio Grondona, werden häufig auch verschiedene Spiele der Copa Argentina ausgetragen. Die lokalen Sicherheitsbeamten sollten also eine solche Situation und den erwarteten Andrang gewohnt sein.
Bereits lange vor Anpfiff waren die Ränge auch bestens gefüllt und es herrschte dort sowie bei allen jenen, die draußen noch ein bisserl was gegen die Kälte taten, eine intensive Vorfreude. Schon da waren die Gesänge zum Teil brachial laut, auch wenn keinerlei, den Takt vorgebende Instrumente zu vernehmen waren.
Das Intro fiel dann aufgrund der Sicherheitsvorschriften auch ohne jegliche optische Untermalung aus, von ein paar wenigen Papierschnipsel und Luftballons abgesehen. Dafür wurde gesungen, was die Stimmbänder hergaben, überwiegend klassisches Liedgut mit hoher Mitmachquote. Zwar führten das Fehlen der Kapelle und die ungewohnte Verteilung auf die Tribüne gelegentlich zu geringen Koordinationsschwierigkeiten, doch wurde das von der mitreißenden Euphorie mehr als wett gemacht.
Auch die Spieler von San Miguel legten los, als würden sie an diesem Tag keine Zweifel am zweiten Aufsteiger aufkommen lassen wollen. Sie stürmten voller Herz nach vorne, hatten auch die erste dicke Chance, doch schon im folgenden Konter klatschte das Leder gegens Metall. Das machte Eindruck. Die Gäste waren keineswegs gewillt, hier auf Unentschieden oder Halten zu spielen. Ganz im Gegenteil. Nachdem der Anfangsoffensive verpufft war, ließen die Kicker von CADU ihre spielerische Überlegenheit, die die Tabelle der regulären Saisonphase widerspiegelte (immerhin 14 Punkte trennten beide Vereine), erkennen und nahmen das Heft in die Hand, spielten kontrolliert aus einer sicheren Defensive nach vorne und erarbeiten sich die besseren Chancen.
Wo bleibt der Krankwagen?
Dann knallte bei einer harmlosen Situation zwei Spieler im Strafraum der Gäste zusammen, da waren 12 Minuten gespielt. Die Reaktion der umstehenden Spieler ließ klar werden, es war etwas Schlimmeres passiert. Man rief nach der Trage. Während der Schiri Yael Falcón San Miguel-Spieler Isaias Olariaga 1. Hilfe zukommen ließ, rannten seine Assistenten begleitet von Spielern übers Feld und riefen verzweifelt nach den Krankenwagen.
Es herrschte betroffene Ruhe im Stadion, die bald in Gemurmel mündete, als der Krankenwagen einfach nicht kommen wollte . Es dauerte über 10 Minuten, bis die Ambulanz auf dem Feld war, denn die Zufahrt war zugeparkt vom Mannschaftsbus der Gäste und musste umständlich umrangiert werden. Mitverantwortlich für eine soclhe Situation? Richtig, eben jene famose Organisation Aprevide, die das Stadion ausgewählt hatte und für die Überwachung des korrekten Ablaufs da ist. Sie ließ später verlauten, dass verantwortlich ausschließlich sei der gastgebende Verein sei.
Nunja, das Wichtigste: der verletzte Spieler wurde mit schweren Schädelverletzungen ins Krankenhaus gebracht, ist aber nach einer OP auf dem Weg der Besserung und bleibt wohl ohne schwere Folgeschäden.
57 Festnahmen
Anschließend ruhte das Spiel über 45 Minuten, da auf die Rückkehr des Krankenwagens gewartet werden musste. In dieser Zeit konnte die Barra zentral hinter dem Tor ihren Blockschmuck aufbauen und plötzlich wurde das gelangweilte, wartende Publikum von den typischen Instrumenten aufgeheitert. Musik erklang und die Gesängen lebten wieder auf, so dass die Wartezeit überbrückt werden konnte. Wie sich später herausstellte, war das Zuspätkommen der barra aufgrund der Festnahme von 57 ihrer Mitglieder zustande gekommen. Sie wurden von der Aprevide in Zusammenhang mit den Unruhen beim Halbfinale gebracht und hätten sich einer Kontrolle auf der Anreise entziehen und widersetzen wollen.
Wie auch immer. Nach über 50 Minuten ging es weiter, nun mit Musik, die von der Barra-Kapelle vorgegeben wurde. Den Gastgebern schien die Unterbrechung gut getan zu haben, sie zeigten sich wieder besser organisiert . Doch erneut setzte sich bald die spielerische Überlegenheit der Gäste durch. Auf den Tribünen ging es dagegen flott zu, mit geschlossenen Hüpfeinlagen und und mitreißenden Minuten. Dann folgen wieder Minuten, in denen die Kapelle die Gesänge überlagerte. Auch war die Mitmachquote auf längere Sicht nicht so hoch wie vorher, als vor allem aus Eigeninitiative die Klassiker angestimmt wurden. CADU kam zu ein paar Großchancen, wo schon das ganze Stadion den Atem anhielt und sich den passenden Fluch überlegte und dann doch ein Blitzreflex des Goalies oder das Metall Erleichterung auslöste. Ohne Tore ging es in die Kabinen.
Despacito ohne Erfolg
Der zweite Durchgang begann erneut flott, um wiederum nach 10 Minuten einen Bruch zu erleiden. Diesmal jedoch war lediglich eine Rote Karte für die Gäste nach grobem Foulspiel der Auslöser. Von nun an sollten diese sich auf die Defensive konzentrieren und in der Folge kaum Chancen zu lassen. San Miguel zeigte sich gegen die gut organisierte Defensive mit dem Spielaufbau einfach überfordert, konnte kaum Torraumszenen erarbeiten.
Dies übertrug sich mit jeder Minute auch aufs Publikum. Zunehmend stieg die Gewissheit, dass es zumindest heute und vielleicht auch insgesamt einfach nicht reichen sollte, dass die Gäste zu stark waren. Der Support wurde keineswegs eingestellt, konnte aber nicht an die erste Halbzeit anknüpfen. Oftmals stimmte die Gegengerade auch gegen die Vorgabe der Barra Lieder an. Vor allem die Interpretation von „Despacito“ fand kaum Mitsänger.
Die offiziellen Vertreter der Gäste auf der Heimtribüne Arsenals feierten dagegen nach Abpfiff das torlose Remis nahezu frenetisch, der Spielverlauf gab ihnen auch Recht für ihre vorgezogene Hochstimmung. Doch im Fußball kann ja bekanntlich alles passieren.
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San Miguel 0:0 CADU, Estadio Julio Humberto Grondona, Sarandí (Pdo. de Avellaneda, Prov. de Bs.As.) Samstag, 22.07.2017, 15:00, Hinspiel im Finale der Aufstiegsendrunde P-C 16/17
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