Hupstakkato zum Sieg: Huracán - Independiente

07.05.2017 - Vor Ort in Gobernador Gregores

Bericht vom Spiel Huracán - Independiente der Liga de Fútbol Centro de Santa Cruz im Estadio Jorge Pedro Mariottini

von Christian Piarowski

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Die Begegnungen zwischen Huracán aus Gobernadores Gregores und Independiente aus Puerto San Julian galten lange Zeit als clásicos. Allerdings hat die Rivalität in den letzten Jahren nachgelassen. Independiente hat ohnehin mit Racing einen direkten Clásico-Rivalen in San Julian und auch in Gregores gibt es nach vielen Jahren mit Atlético Cruz del Sur wieder einen zweiten Verein, mit dem man sich messen kann. Genau eine Woche zuvor war es zum Duell zwischen beiden gekommen, wobei Huracán deutlich unterlag. Dies zusammen mit dem im Kontrast zu den vorherigen Sonnentagen ungemütlichem Schmuddelwetter und den happigen Eintrittspreisen von 60 Pesos (knapp 4 Euro- für ein Lokalligaspiel!) sorgten dafür, dass insgesamt lediglich etwa 100 Zuschauer ins Estadio Jorge Pedro Mariottini kamen.

 

Stadion selbst errichtet

Auf dieses vereinseigene Stadion, das abgesehen von einer kleinen, wackligen Tribüne aus angerosteten Metallrohren, ein reines Stehplatz bzw. Auto-Stadion ist (d.h., die Zuschauer stehen je nach Wetter und Gusto am Zaun oder verfolgen das Spiel aus dem Autor heraus), sind die Anhänger des Globos besonders stolz. Es wurde nämlich von den Vereinsmitglieder mit viel Mühe quasi selbst gebaut, in dem sie durch Verlosungen und verschiedenen Aktivitäten das Geld dafür sammelten.

 

Der neue alte Konkurrent in der Stadt (Cruz del Sur baut auf dem vor Jahren aufgelösten Verein Atletico auf) dagegen hat sein neues Stadion mit Zuwendungen des Landes errichtet. Stolz ist man auch auf den Naturrasen, was in Südpatagonien aufgrund der Witterungsbedingungen nicht gewöhnlich ist. Seit drei Jahren macht dieser Belag das Spielen und Gucken leichter. Früher nämlich, so erzählt mir Oscar, ein glühender Fan des Globo, konnte man bei starken Winden die Spieler im Staub kaum erkennen - und für starke Winde ist Gobernador Gregores berüchtigt.

Allerdings gibt er zu, dass der Rasen im Stadion der Stadt, dem Estadio Municipal, noch besser sei. In dem schmucken kleinen Municipal spielte Huracan, bevor das eigene Stadion fertig wurde. Dort werden heute lediglich einige Jugendturniere ausgetragen und mitunter muss einer der Vereine der Stadt bei Teilnahme am Federal C dorthin ausweichen.

 

Anreisen von mehreren hundert Kilometern

Die Teilnahme an den Federal-Turnieren ist für die Vereine der Liga eine zwiespältige Angelegenheit. Es entstehen vor allem hohe Kosten, allein wegen der langen Anreisen, der höheren Bestimmungen für Stadien und Sicherheitspersonal und auch an den Spielerkadern. Die Gäste waren erst kurz zuvor im Federal C ausgeschieden, sollten aber (an jenem Tag noch unbekannt) für die neuen Saison als einziger Vertreter der Liga dennoch einen Startplatz im Federal B erhalten, da dieses erneut erweitert wurde.

 

In der Liga de Fútbol Centro de Santa Cruz dagegen bestehen die Mannschaften in der Regel rein aus Amateurspielern, aus Jungs aus der Stadt. Diese tragen zum Teil selbst dazu bei, dass die Vereine ihren Spielbetrieb aufrecht erhalten können. Dies ist vielleicht eines der besten Beispiele für die Fußballleidenschaft, nämlich eben jener auf dem Platz.

 

Es gehört schon viel positive Energie dazu, bei Wind und Wetter zu trainieren, zu spielen und dafür auch noch alle zwei Wochen Reisen anzutreten von mehreren Stunden zu den Auswärtsfahrten (Gobernador Gregores liegt beispielsweise von Puerto San Julian, dem nächstgelegensten Spielort, etwa 200 Kilometer über Schotterpiste entfernt), wo nahezu alle im Fußball möglichen Spielflächen warten, denn in der Liga gibt es Stadien mit Kunstrasen, Naturrasen und Sandböden – und für alle braucht man die passenden Schuhe, die in der Regel nicht der Verein finanziert.

 

Von wegen Stutenfresser

Doch sei für viele Jungs in den abgelegenen Orten, Fußball eben das Wichtigste, wie man öfter zu hören bekam. Nicht das Spiel an sich, sondern eben alles, was es mit sich bringt: ein soziales Netzwerk und Mittel gegen die ansonsten überkommende Langeweile.

 

So war es auch wenig verwunderlich, dass im Stadion jeder jeden zu kennen schien, und vermutlich viele auch gerade deswegen gekommen war. Neben den Beobachtungen zum Spiel wurde alles Mögliche durchgesprochen, was so in der Woche geschah, wer mit wem und so weiter. Somit verlief das Spiel ohne große "Musik" drumherum, lediglich ein halbes Dutzend Jungs auf der Tribüne machten sich im zweiten Durchgang einen Spaß und stimmten ein paar Lieder an.

 

Neben den Begleitern und Spielern des Jugendteams, die vorher gegeneinander angetreten waren, waren tatsächlich auch einige Gästefans auf der gegenüberliegende Längsseite anwesend. Und so amüsierte man sich auch mit dem Austausch von Nettigkeiten. Ein doppeldeutiges Stutenfresser seitens der Gäste wurde etwa mit Muschelfresser und anderen Hinweisen auf die vermeintlichen kulinarischen Vorlieben mit regionalem Bezug sowie den üblichen argentinischen Grüßen an die weibliche Verwandtschaft gekontert. Besonders aktiv dabei auf Gastgeberseite ein paar Frauen, während die Männer sich ins Fäustchen lachten.

 

Mit Hupstakkato zum Sieg

Derweil mühten sich die Spieler ab, ordentlichen Fußball zu liefern. Vor allem die Spieler des Globo rackerten fleißig, um die Niederlage im Clásico vergessen zu machen. Sie erarbeiteten sich klare Feldvorteile, um dann mit Slapstickeinlagen vor dem Tor den Ball nicht ins Netz zu bringen. Ein Freistoß war es dann, der die Erlösung für die treuen Zuschauer brachte. Das Vergeben klarster Chancen wäre dann fast noch, wie so gerne im Fußball üblich, bestraft worden, als die Gäste zum Ende hin alles nach vorne warfen, selbst ihren dicken Verteidiger und Kapitän.

 

Die letzten Minuten vergingen zäh im Dauerhupen der Zuschauer, die damit eine eigentümliche Anspannung erzeugten, die den Schiri unter Druck setzen und zum Abpfiff zwingen sollte. Das sich zum Stakkato steigernde, enervierende Hupen von allen Seiten schien diesem aber zu gefallen und er reizte die Partie bis zur letzten Sekunde aus, bevor ihm endgültig die Argumente ausgingen und der erlösende Abpfiff fiel.

 

Drei Punkte in einer erst beginnenden Saison, noch war alles drin, also gingen die Zuschauer zufrieden nach Hause, zumal laut Radio der lokale Konkurrent auswärts ordentlich auf den Sack bekommen haben sollte (1:6 bei Atlético Santa Cruz). Noch wusste da niemand, dass bereits eine Woche später die Liga aufgrund der dieses Jahr rauen Winterbedingungen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden sollte.

 

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Huracán 1:0 Independiente (Pto. SJ), Estadio Jorge Pedro Mariottini, Gobernador Gregores (Provincia de Santa Cruz), Sonntag, 07.05.2017, 16:00, 5. Spltg. Apertura 2017, Liga de Fútbol Centro de Santa Cruz

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